INTERVIEW mit Medizin Aktuell, Ausgabe Süd
Sehnenbeschwerden gehören zu den häufigsten orthopädischen Erkrankungen überhaupt. Besonders unangenehm sind sie jedoch dann, wenn sie alltägliche Bewegungen stören oder gar auf Schritt und Tritt Schmerzen hervorrufen, wie es häufig bei der Achillessehnentendinose der Fall ist. Woher diese oft langwierige Erkrankung kommt und wie man sie heute behandelt, erklärt Dr. Christian Kinast, Orthopäde am OZA in München, im Gespräch mit Medizin Aktuell, Ausgabe Süd.
Herr Dr. Kinast, was versteht man unter einer Achillessehnentendinose?
Dr. Kinast: Die Bezeichnung ist der Oberbegriff für Veränderungen an der Achillessehne, welche sehr schmerzhaft sein können. Dabei können die Schmerzen sowohl wenige Zentimeter über dem Fersenbein als auch direkt am Sehnenansatz auftreten. Bei einer Tendinose am Sehnenansatz kommt es oft zu einer scheinbaren Verdickung des Fersenbeins, die als „Haglund-Ferse“ bezeichnet wird. Dabei handelt es sich im wesentlichen aber nicht um eine knöcherne Ausziehung wie beim sogenannten Fersensporn, sondern um eine Verdickung der Achillessehne selbst.
Wie kommt es zu einer solchen Veränderung?
Dr. Kinast: Neben dem Vorhandensein einer genetischen Disposition geht man davon aus, dass auch eine unphysiologische Belastung des Sehnenansatzes durch Scherkräfte beim Auftreten dazu führt, dass der Körper sozusagen die Sehne verstärkt. Dafür spricht auch, dass Menschen mit einem starken Fußgewölbe oder einer O-Bein-Stellung eher dazu neigen, solche Beschwerden am Achillessehnenansatz auszubilden. Mit einer Pedographie können wir heute vielfach eine Mehrbelastung nachweisen, jedoch lässt sich nicht in allen Fällen eine klare Ursache finden.
Kann man selbst etwas tun, um die Beschwerden zu lindern?
Dr. Kinast: Das kommt natürlich auf die Ausprägung an. Häufig können kühlende und entzündungshemmende Maßnahmen Linderung bringen. Wir raten unseren Patienten darüber hinaus zu einer Dehnung der verkürzten Muskulatur durch das Tragen einer nächtlichen Schiene. Im konservativen Bereich kommen die Elektrotherapie und kortisonhaltige Cremes zum Einsatz, welche ebenfalls die Funktion verbessern und die Entzündung zurückdrängen sollen. Früher hat man auch Kortisoninjektionen in den Sehnenansatz selbst gesetzt, was heute aufgrund der möglichen Schädigung des Sehnengewebes aber kontrovers beurteilt wird.
Eine Alternative zum Kortison ist jetzt das Autologe Konditionierte Plasma, kurz PRP. Was hat es damit auf sich?
Dr. Kinast: Die Therapie mit PRP (Platelet rich plasma =körpereigene Wachstumsfaktoren) nutzt die natürlichen in unserem Blut enthaltenen Wachstumsfaktoren, um Heilungs- und Regenerationsvorgänge anzuregen. Der Vorteil gegenüber dem Einsatz von Kortison ist, dass weder die gefürchteten systemischen Nebenwirkungen auftreten noch eine Abwehrreaktion auf eine körperfremde Substanz erfolgt. Gewonnen wird das PRP durch Zentrifugieren des mit einer speziellen Doppelkammerspritze gewonnenen Eigenbluts des Patienten. Die solcherart aufkonzentrierten Wachstumsfaktoren werden dann punktgenau an die Sehne injiziert. So kann die Reizung und Entzündung durch körpereigene Wirkstoffe gestoppt werden und ausheilen. Die Schmerzen nehmen ab oder verschwinden sogar ganz und die Beweglichkeit nimmt zu. Die Wirkungsweise und Effektivität der PRP-Therapie konnte dabei inzwischen durch zahlreiche klinische Untersuchungen belegt werden; mittlerweile verfügen wir über eine rund zehnjährige Erfahrung mit dieser Methode.
Manchmal kommen Patienten jedoch nicht um eine Operation herum.
Dr. Kinast: Wenn konservative Maßnahmen nicht zum Erfolg führen, gibt es mehrere operative Ansätze, um eine Heilung zu erreichen. So kann man etwa entzündliches Gewebe an der Vorderseite der Sehne entfernen oder die Sehne einritzen, um durch bewusste kleine Verletzungen eine Regeneration des Gewebes anzuregen. Liegen jedoch Verkalkungen oder Verknöcherungen im Sehnenansatz vor, so muss als letzte Möglichkeit eine Ablösung der Achillessehne in Betracht gezogen werden. Dies ist leider notwendig, um die Verknöcherungen zur Gänze beseitigen zu können. Früher musste man nach diesem Eingriff leider eine recht lange Rekonvaleszenz in Kauf nehmen. Zum Glück ist dies heute nicht mehr notwendig.
Was hat sich gegenüber der früheren OP-Methode geändert?
Dr. Kinast: Durch eine neuartige Fixierung der abgelösten Sehne sind wir in der Lage, die Heilung dramatisch zu verkürzen. Die herkömmliche Fixierung der Sehne mit einem Fadenanker führt zu einer hohen punktuellen Belastung an der Nahtstelle. Dies erfordert vom Patienten eine mehrwöchige Schonung, bis die Sehne wieder ohne Risiko belastet werden kann. Mit der Arthrex SpeedBridge-Technik fixieren wir die Sehne nun sanduhrförmig mit dem FiberTape an insgesamt vier Punkten, ohne dass ein Knoten im Nahtmaterial gesetzt werden muss, der einen potentiellen Schwachpunkt darstellen würde. Der Kontakt der Sehne zum Fersenbein erfolgt dadurch über eine sehr viel größere Fläche. Dies führt zu einer geringeren Spannung bei gleichzeitig stark erhöhter Stabilität. Der Vorteil für den Patienten ist die Möglichkeit der frühzeitigen Mobilisierung, welche einem Muskelabbau vorbeugt und eine deutlich schnellere Heilung erlaubt. In der Regel können unsere solcherart versorgten Patienten ihrem Tagwerk innerhalb von vier bis sechs Wochen wieder problemlos nachgehen.
Weitere Informationen und OP-Bildmaterial entnehmen Sie bitte aus der OZA Patienteninfo „Arthroskopie & Verletzungen des Sprunggelenkes“ auf Seite 20 zu „Offene Operation/Hinterer Fersensporn/Ansatznahe Achillessehnentendinose„.
Herr Dr. Kinast, haben Sie herzlichen Dank für Ihre Ausführungen.
Quelle: Ausgabe Süd, Rubrik „Medizin Aktuell“. Ansprechpartner: A. Wondracek