3-D-Korrektur schwerer Planovalgusdeformitäten – Erste radiologisch-pedographische Ergebnisse im Adoleszentenalter
MÜNCHEN – 09.03.2015
Vorgestellt wird ein Konzept zur gelenkerhaltenden Korrektur schwerer Planovalgus-Deformitäten, bei dem eine dosierte Calcaneus-Verlängerungsosteotomie mit einer Calcaneus-Verschiebe-Osteotomie und einer additiven Cuneiforme-mediale-Osteotomie verbunden wird.
Die theoretische Basis dieser Tarsalen Triple Osteotomie (TTO) sowie erste Ergebnisse mit dem in dieser Form in der Literatur bisher nicht näher beschriebenen Konzept werden dargestellt. In der radiologischen Auswertung konnte eine Reduktion des TMT-Index als Maß der Planovalgus-Deformität von -47,7° auf -23,7° festgestellt werden, wobei das talonaviculare Alignment in der Transversalebene weniger deutlich korrigiert wurde, als in einer früheren Untersuchung nach höherdosierter isolierter Calcaneus-Verlängerung.
Pedographisch wurde eine signifikante Zunahme von Kraftmaximum (um 10,6 %) und Kraft-Zeit-Integral (um 18,8 %) im Vorfuß-Bereich ermittelt bei deutlicher Normalisierung der Lastverteilung auf die einzelnen Metatarsalia.
Einleitung
Die isolierte Calcaneus-Verlängerungsosteotomie ist ein bekannter gelenkerhaltender Korrektureingriff schwerer Planovalgus-Deformitäten im späteren Kindes-, Jugendlichen und Erwachsenenalter und beruht auf dem Prinzip, die laterale Fußsäule zu verlängern, vor allem die Rezentrierung des Talonavicular-Gelenkes gelingt eindrucksvoll. Es gibt jedoch vermehrt experimentelle und klinische Arbeiten, die Nachteile und Grenzen des Verfahrens aufzeigen. Dazu zählen die Gefahr einer Überlastung des lateralen Mittelfußes, Subluxation und degenerative Veränderungen des Calcaneocuboidgelenkes, unzureichende Korrektur der Rückfuß-Valgus-Komponente, Reduktion der Mobilität des talocalcaneo-navicularen Komplexes. In der Literatur sind Kombinationen knöcherner Korrektur-Verfahren aufgeführt, in denen die Calcaneus-Verlängerungsosteotomie eine Komponente des Eingriffes darstellt.
Die isolierte Calcaneus-Verlängerungsosteotomie ist ein bekannter gelenkerhaltender Korrektureingriff schwerer Planovalgus-Deformitäten im späteren Kindes-, Jugendlichen und Erwachsenenalter und beruht auf dem Prinzip, die laterale Fußsäule zu verlängern, vor allem die Rezentrierung des Talonavicular-Gelenkes gelingt eindrucksvoll. Es gibt jedoch vermehrt experimentelle und klinische Arbeiten, die Nachteile und Grenzen des Verfahrens aufzeigen. Dazu zählen die Gefahr einer Überlastung des lateralen Mittelfußes, Subluxation und degenerative Veränderungen des Calcaneocuboidgelenkes, unzureichende Korrektur der Rückfuß-Valgus-Komponente, Reduktion der Mobilität des talocalcaneo-navicularen Komplexes. In der Literatur sind Kombinationen knöcherner Korrektur-Verfahren aufgeführt, in denen die Calcaneus-Verlängerungsosteotomie eine Komponente des Eingriffes darstellt.
Der Planovalgusfuß ist eine dreidimensionale Fehlstellung aus Rückfuß-Valgus (Frontalebene), Mittel-Vorfuß-Abduktion (Transversalebene) und Elevation des medialen Tarsometatarsal-Strahles (Sagittalebene). Aus der Beobachtung heraus, dass in den allermeisten Fällen schwerer Planovalgus-Deformitäten Korrektur-Bedarf in allen drei Ebenen besteht, wurden vom Erstautor diese oben genannten drei Eingriffe als „Tarsale Triple-Osteotomie“ (TTO) seit 2010 im Jugendlichen- und Erwachsenenalter regelhaft kombiniert – die isolierte Calcaneus-Verlängerungsosteotomie wurde verlassen.
Die Einzeleingriffe wirken komplementär zueinander, sodass das Korrektur-Ausmaß der einzelnen Osteotomien (v. a. Calcaneus-Verlängerung) deutlich reduziert werden konnte.
Material und Methode
Seit 09/2010 wurde in 26 Fällen schwerer Planovalgus-Deformität die TTO durchgeführt. Einschlusskriterien für die radiologisch-pedographische Analyse: idiopathische, symptomatische Planovalgus-Deformität, Alter unter 18 Jahren, keine zusätzlichen Eingriffe außer der TTO und einer Gastrocnemius-Verlängerung, Beobachtungszeit über acht Monate. Zehn Extremitäten bei sechs Jugendlichen (4 männlich, 2 weiblich) wurden analysiert. Das Patienten-Alter zum Zeitpunkt der Operation betrug im Mittel 14,0 Jahre (13,1–15,0 Jahre), der Nachbeobachtungszeitraum im Mittel 15,6 Monate (8–25 Monate).
Seit 09/2010 wurde in 26 Fällen schwerer Planovalgus-Deformität die TTO durchgeführt. Einschlusskriterien für die radiologisch-pedographische Analyse: idiopathische, symptomatische Planovalgus-Deformität, Alter unter 18 Jahren, keine zusätzlichen Eingriffe außer der TTO und einer Gastrocnemius-Verlängerung, Beobachtungszeit über acht Monate. Zehn Extremitäten bei sechs Jugendlichen (4 männlich, 2 weiblich) wurden analysiert. Das Patienten-Alter zum Zeitpunkt der Operation betrug im Mittel 14,0 Jahre (13,1–15,0 Jahre), der Nachbeobachtungszeitraum im Mittel 15,6 Monate (8–25 Monate).
Operation
Subperiostale Darstellung des vorderen Calcaneus-Abschnittes über schräge Hautinzision in Höhe des Sinus tarsi mit vollständiger Osteotomie etwa 8 mm ventral der Knorpel-Knochengrenze der hinteren Kammer des Subtalargelenkes. Einfügen eines tricorticalen Beckenkammspanes (Basis-Breite < 6–8 mm).
Subperiostale Darstellung des vorderen Calcaneus-Abschnittes über schräge Hautinzision in Höhe des Sinus tarsi mit vollständiger Osteotomie etwa 8 mm ventral der Knorpel-Knochengrenze der hinteren Kammer des Subtalargelenkes. Einfügen eines tricorticalen Beckenkammspanes (Basis-Breite < 6–8 mm).
Medialisierende Calcaneus-Osteotomie mittels zweiter Schräg-Inzision über dem Tuber calcanei, klinische Dosierung bis zur vollständigen Ausgradung des Rückfußes. Perkutane Fixierung beider Osteotomien vom Tuber calcanei aus mit zwei K-Drähten. Von dorsal Osteotomie Os cuneiforme mediale im proximalen Anteil und Einbringung eines zweiten Knochentransplantat (Basisbreite ca. 5-6 mm) ohne osteosynthetische Fixierung.
Zusätzlich immer Gastrocnemius-Verlängerung nach Baumann. Postoperativ sechs Wochen Entlastung im Unterschenkel-Hartverband, nachfolgend nach Entfernung der K-Drähte die zunehmende Aufbelastung im Walker bis hin zur Vollbelastung.
Die Patienten wurden prä- und postoperativ in zwei Ebenen unter Vollbelastung im entspannten Beidbeinstand geröntgt (Abb. 1) mit Bestimmung von: Talus-Metatarsale-I-Winkel, Talus-Metatarsale-I-Basis-Winkel, Calcaneus-Boden-Winkel.
Zudem Bildung des TMT-Index (Maß für die Planovalgus-Deformität). Zusätzlich prä- und postoperative pedobarographische Untersuchung mit Bestimmung von: Kraftverteilung, Kraft-Zeit-Integral insbesondere im Mittel-Vorfußbereich (Prüfung 0,05-Signifikanz-Niveau, Vergleich mit Kollektiv fußgesunder Erwachsener).
Ergebnisse
In allen zehn Fällen wurde eine klinisch vollständige Korrektur bei guter Funktion und deutlich stabilerem Standgefühl erreicht bei einer oberflächlichen Pin-Infektion. Es gab keinen Hinweis auf Überlastungen des lateralen Fußrandes.
In allen zehn Fällen wurde eine klinisch vollständige Korrektur bei guter Funktion und deutlich stabilerem Standgefühl erreicht bei einer oberflächlichen Pin-Infektion. Es gab keinen Hinweis auf Überlastungen des lateralen Fußrandes.
Radiologisch verbesserte sich der TMT-Index im Durchschnitt von präoperativ -47,7° auf postoperativ -23,7°, der Talus-Metatarsale-I-Winkel von -23,0° auf -10,2°, der Talus-Metatarsale-I-Basis-Winkel verringerte sich von -24,7° auf -13,5°. Für den Calcaneus-Boden-Winkel wurden 9,2° präoperativ und 14,1° postoperativ gemessen.
Die präoperativen Pedographien zeigten ausnahmslos eine deutliche Lastkonzentration über dem medialen Fußstrahl bei aufgehobener Taillierung des Fußabdruckes. Postoperativ konnte eine Taillierung des Fußabdruckes beobachtet werden mit einer veränderten Lastverteilung im Mittel-Vorfuß-Bereich (Abb. 2).
Das Kraftmaximum bezogen auf den gesamten Fuß stieg um 1,8 Prozent, wobei vor allem das Kraftmaximum des Vorfußes postoperativ signifikant (10,6 %) anstieg. Für das Kraft-Zeitintegral lag die Zunahme für den gesamten Fuß bei 12,4 Prozent (signifikant), für den Vorfuß bei 18,8 Prozent (signifikant) – dies spricht für einen postoperativ deutlich kraftvolleren Abdruck des Fußes in der späten Standbeinphase.
Die Verteilung von Kraftmaximum beziehungsweise Kraft-Zeit-Integral im Bereich des Vorfußes zeigte postoperativ eine signifikante Zunahme Metatarsale II/III (12,2 % bzw. 16,7 %) und signifikante Zunahme MFK IV/V (51,7 % bzw. 71,4 %). Verglichen mit einem Normalkollektiv gleicht sich die präoperativ deutlich medial-lastige Kraftverteilung im Mittelfußbereich den Normal-Verhältnissen postoperativ an, ohne dass es zu einer übermäßigen Belastung lateraler Mittelfußanteile oder einer Entlastung des Metatarsale I kommt – wie nach isolierter Calcaneus-Verlängerung. Der Fußabschnitt zwischen Ferse und den Metatarsalia zeigte sich postoperativ deutlich entlastet (vgl. Abb. 2). Eine wesentliche Veränderung wurde im Bereich der präoperativ im Vergleich zum Erwachsenen-Normalkollektiv stark belasteten Großzehe festgestellt: Reduktion des Kraftmaximums um 29,7 Prozent und des Kraft-Zeit-Integrals von 18,9 Prozent.
Diskussion
Das Ausmaß der Verlängerung der isolierten Calcaneus-Verlängerungsosteotomie wird in der Literatur meist mit 8–12 mm angegeben, zum Teil mit 14–15 mm.
Das Ausmaß der Verlängerung der isolierten Calcaneus-Verlängerungsosteotomie wird in der Literatur meist mit 8–12 mm angegeben, zum Teil mit 14–15 mm.
Folgende Nachteile und Begleiteffekte sind verbunden:
- unvollständige Korrektur des Rückfuß-Valgus bei nur gering dosierter Calcaneus-Verlängerung
- Unvollständige Korrektur beziehungsweise Zunahme der Mittel-Vorfuß-Supination mit der Folge einer Überlastung des lateralen Mittelfußes und einer Elevation des medialen Strahles. Von Ellis et al. wurden klinisch symptomatische Überlastungen des lateralen Fußrandes in einer pedographischen
- Studie beobachtet. In Einzelfällen sind Stressfrakturen des Metatarsale V beschrieben.
- Schädigung des Calcaneocuboid-Gelenkes mit Zunahme des intraartikulären Druckes (Xia et al.), primären Subluxationen sowie degenerativen Veränderungen
- Reduktion der Beweglichkeit des talocalcaneo-navicularen Komplexes in Richtung der Eversion, damit positiv ausgedrückt erhöhte Stabilität, negativ formuliert erhöhte Steifigkeit der Tarsalgelenke, die ihre Aufgabe als „mobile adaptor“ in der frühen Standbeinphase nicht mehr ungestört wahrnehmen können.
Die drei letztgenannten Phänomene sind eng mit dem Ausmaß der Calcaneus-Verlängerung positiv korreliert und haben zu einer kritischen Sicht auf die Calcaneus-Verlängerungsosteotomie insgesamt beigetragen, die von einigen Experten bereits ganz verlassen wurde.
Die Vorteile der Calcaneus-Verlängerungsosteotomie liegen dagegen im großen Korrekturpotenzial gerade in der Transversalebene.
Da alle beschriebenen Nachteile des Verfahrens dosisabhängig sind, liegt der Gedanke nahe, das Korrektur-Potenzial dieses Eingriffes durch geringer dosierte Verlängerung zu nutzen, es aber mit anderen, komplementär wirksamen Eingriffen zu kombinieren.
Pomeroy und Manoli berichteten erstmals von der Calcaneus-Doppelosteotomie. Ling et al. Kombinierten die medialisierende Tuber-Osteotomie mit einer Cuneiforme-mediale-Osteotomie und verzichteten dabei auf die Calcaneusverlängerung. Auch über die Kombination der Calcaneus-Doppelosteotomie mit einer plantarisierenden Cuneiforme-mediale-Osteotomie als „around the world procedure“ wurde berichtet. Myerson indiziert die Anwendung der drei Osteotomien individuell bei der Erwachsenenplanovalgus-Deformität. Ähnlich gehen Akinau et al. beim jugendlichen Planovalgus-Fuß „a la carte“ vor.
Dem Gedanken der routinemäßigen Anwendung der TTO bei der schweren Planovalgus-Deformität liegt dagegen die Beobachtung der Autoren dieser Studie zugrunde, dass grundsätzlich alle drei Komponenten – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung – beteiligt und folgerichtig auch zu korrigieren sind.
Die vorliegende klinische Untersuchung beschreibt nach Kenntnis der Autoren erstmals radiologische und pedographische Korrektureffekte nach multiplen tarsalen Osteotomien. Es konnte gezeigt werden, dass radiologisch ausreichende Korrekturen erzielbar sind mit einer zumindest weitgehenden Normalisierung der zuvor pathologischen Lastverteilung im Mittelfußbereich ohne übermäßige Belastung des lateralen Mittelfußes oder zu weitgehender Entlastung des medialen Mittelfuß-Strahles. Die in der späten Standbeinphase unter dem Vorfuß gemessenen Kräfte nahmen trotz durchgeführter Gastrocnemius-Verlängerung deutlich zu bei vermindertem Einsatz der Flexoren-Muskulatur der Großzehe.
Die Grenzen der vorgelegten Studie liegen neben der noch sehr kleinen Patientenzahl und fehlenden pedographischen Normalwerten jugendlicher Patienten beziehungsweise einem pedographischen Vergleich mit isoliert Calcaneus-verlängernd behandelten Patienten in der fehlenden Einbeziehung standardisierter klinischer Daten. Die zum Teil noch sehr kurze Beobachtungszeit könnte noch nicht
den Endpunkt der funktionellen Rehabilitation darstellen, sodass unter Umständen mit noch weitgehenderer Normalisierung der pedographischen Daten zu rechnen ist. Individuelle Unterschiede der planaren Dominanz (Überwiegen von Rückfuß-Valgus oder Mittel-Vorfuß-Abduktion im Einzelfall) wurden je nach klinischem intraoperativem Eindruck bei der Dosierung der Osteotomien mit berücksichtigt. Auch bleibt abzuwarten, ob die günstigen Ergebnisse auf das Erwachsenen-Alter übertragbar sind, zumal beim Erwachsenen-Plattfuß mit manifester Tibialis-posterior-Dysfunktion meist zusätzliche Weichteil-Korrekturen mit Einfluss auf die Lastverteilung zum Einsatz kommen.
Erste Erfahrungen zeigen jedoch auch für diese Patientengruppe günstige Ergebnisse mit der TTO.
Literatur auf Anfrage.
Autoren: Prof. Johannes Hamel, Dr. Manuel Nell
Orthopädie Zentrum Schützenstraße (OZS)
Zentrum für Fuß und Sprunggelenk,
Schützenstraße 5, 80335 München
E-Mail: manuel.nell@hotmail.com
Orthopädie Zentrum Schützenstraße (OZS)
Zentrum für Fuß und Sprunggelenk,
Schützenstraße 5, 80335 München
E-Mail: manuel.nell@hotmail.com
Orthopädie Zentrum Arabellapark (OZA)
Zentrum für Fuß und Sprunggelenk
Dr. med. Christian Kinast, Prof. Dr. med. Johannes Hamel
www.oza-m.de
Zentrum für Fuß und Sprunggelenk
Dr. med. Christian Kinast, Prof. Dr. med. Johannes Hamel
www.oza-m.de
Artikel zum Downlooad (PDF)