Zwar sagt FIS-Regel Nr. 1, jeder Skifahrer und Snowboarder habe sich so zu verhalten, dass „er keinen anderen gefährdet oder schädigt“. Aber gilt das auch für den Lift? Im Prinzip schon. Dem Oberlandesgericht Bamberg half das jedoch nichts. Gut nur, dass es dort unter den Richtern erfahrene Skifahrer gab. Was war passiert?

Eine Skifahrerin machte einen Mann für einen Sturz verantwortlich, den die beiden an einem Doppel-Schlepplift hatten und bei dem sie sich das Handgelenk gebrochen hat. Sie versuchte zu beweisen, dass der aus ihrer Sicht „unerwünschte Mitfahrer“ tatsächlich die Verantwortung für das Dilemma zu tragen hatte. Es gelang ihr nicht. Sie machte im Laufe der Verhandlung drei verschiedene Aussagen zum Ablauf des Geschehens und behauptete unter anderem, dass es an dem Lift nicht möglich sei, „innerhalb von acht Sekunden“ (dieser mögliche Zeitkorridor konnte ermittelt werden) in eine ordnungsgemäße Stellung an den Schlepper zu gelangen.

Da kamen die Richter ins Spiel. Denn zwei von ihnen waren selbst alpine Skifahrer – einer kannte Ort und Lift des Geschehens. Er wusste, dass es dort „sogar Kindern möglich ist, ordnungsgemäß in die Liftspur innerhalb des von der Verletzten angegebenen Zeitintervalls zu gelangen. Es habe sich halt um eine Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos gehandelt (OLG Bamberg, 6 U 38/12).

FIS-Regel Nr. 3 sagt aus, dass Skifahrer ihre Spur so zu wählen haben, dass sie vor ihnen fahrende Skifahrer und Snowboarder nicht gefährden. Nach dieser Regel hat der vordere Skifahrer uneingeschränkten Vorrang, der hintere muss genügend Abstand halten, um dem Vorausfahrenden für alle seine Bewegungen genügend Raum zu lassen. Der von oben kommende Skifahrer hat also „in vorausschauender Weise mit allen Bewegungen des unten Fahrenden zu rechnen“, und zwar auch mit weiten Schwüngen, Schrägfahrten und Bögen mit großen Radien sowie jederzeitigen Richtungswechseln. Er darf auch nicht darauf vertrauen, dass der vorausfahrende Skifahrer seine kontrollierte Fahrweise in einem bestimmten Pistenbereich beibehalten werde.

Dagegen muss sich der vorausfahrende Skifahrer nicht hangwärts nach oben orientieren. Denn dann könnte er seine Pflicht der Rücksichtnahme auf vorausfahrende Skifahrer nicht mehr nachkommen.

Skikurs schützt vor Strafe nicht
In einem Fall vor dem Oberlandesgericht München war der Teilnehmer eines Skikurses einer anderen in die Seite gefahren, nachdem diese plötzlich gebremst hatte. Sie wollte zur – am Hang wartenden – Gruppe stoßen. Ihr wurden 4.000 Euro Schmerzensgeld für ein gebrochenes Schlüsselbein zugesprochen (OLG München, 20 U 4661/10).

Zwei Deutsche treffen sich in Österreich …
In Österreich prallten zwei deutsche Skifahrer aufeinander. Sie trafen sich noch mal – vor Gericht – um rechtliches zu klären.

Grundsätzlich ist der sich daraus ergebende Streitfall zwar nach deutschem Recht abzuwickeln, sofern beide in Deutschland wohnen. Das an sich maßgebende deutsche Schadenersatzrecht ändert jedoch nichts daran, dass die „Verhaltensvorschriften am Unfallort für die Haftung maßgeblich“ sind. Insofern richten sich die zugrundeliegenden Verhaltens- und Sorgfaltspflichten nach den FIS-Regeln. Und diese gelten in Österreich als „Gewohnheitsrecht“ ohne Wenn und Aber, in Deutschland stellen sie eher eine Richtschnur dar.

Danach trägt bei einem Pisten-Zusammenstoß derjenige die Schuld, der „von oben“ kommt – unabhängig davon, ob der Vorausfahrende „unkontrolliert in weiten Schwüngen“ den Hang hinab saust. Ein Mitverschulden, wie nach deutschem Recht in solchen Fällen nicht unüblich, schloss das Gericht deshalb aus (OLG Koblenz, 5 U 1273/10).

Richter bestärken FIS-Regeln
Auch das Oberlandesgericht Hamm hat die FIS-Regeln bestärkt, nach denen ein von hinten kommender Skifahrer seine Fahrspur so zu wählen hat, dass die vor ihm befindliche Person nicht gefährdet wird. Im konkreten Fall war ein Skifahrer auf einer breiten Piste mit einer voraus fahrenden Skifahrerin zusammengestoßen. Er musste ihren materiellen Schaden ersetzen und Schmerzensgeld zahlen, auch wenn die Frau in breiten Schwüngen ins Tal hinabfuhr (AZ: 13 U 81/08).

Snowboarder gehen Skifahrerin
Eine Skifahrerin behauptete, ein Snowboarder sei „viel zu schnell“ unterwegs gewesen und ihr von hinten in die Beine gefahren. Das Landgericht Coburg stand ihr bei. Und das, obwohl der genaue Hergang des Unfalls nicht rekonstruiert werden konnte. Die Richter urteilten, dass von einem Snowboardfahrer stets eine höhere Gefahr ausgehe, weil das Board schwerer zu steuern sei als ein Ski und der Fahrer bei jedem zweiten Schwung „einen toten Winkel“ habe. 4.800 Euro erhielt die Frau für ihre gebrochenen (Bein-, Rippen- und Handgelenks-)Knochen (AZ: 14 O 462/06).

Presemeldung: News-Reporter.NET/Maik Heitmann und Wolfgang Büser