Interview von „Hallo München“ mit Prof. Dr. med. Oliver Linhardt, Wirbelsäulenspezialist im Josephinum zum Thema Spinalkanalstenose: Wenn beim Laufen der Rücken und die Beine schmerzen.

Ein langer Spaziergang ist nicht mehr drin, weil das Kreuz weh tut und die Schmerzen bis in die Beine ziehen. Dieses Phänomen wird in der Medizin „Spinalkanalstenose“ genannt. Menschen mit Spinalkanalstenose haben einen zu engen Wirbelkanal, er klemmt die Nerven ein. Dies geschieht z.B. durch Abnutzungserscheinungen der kleinen Wirbelgelenke und der Bandscheiben im Alter, durch Bewegungsmangel oder Veranlagung, so Prof. Dr. med. Oliver Linhardt, Leiter des Wirbelsäulenzentrums im Orthopädie Zentrum Arabellapark (OZA) sowie Fachbereich Wirbelsäule in der Klinik Josephinum.

Wenn ein Spaziergang nur noch mit Pausen möglich ist, habe ich dann Spinalkanalstenose?

Prof. Linhardt: So pauschal kann man das nicht sagen, aber wenn eine kurze Gehstrecke für Sie bereits zur Qual wird, dann kann das der erste Hinweis auf einen zu engen Wirbelkanal sein. Meine Patienten berichten über starke Schmerzen im Rücken und in den Beinen – ähnlich wie bei einem einfachen Bandscheibenvorfall. Das Besondere ist aber, dass diese Schmerzen mit zunehmender Gehstrecke zunehmen und beim Hinsetzen oder Vorbeugen des Oberkörpers nachlassen

Woher kommen die Schmerzen eigentlich?

Prof. Linhardt: Sie müssen sich das so vorstellen, dass alle Nervenstränge in der Wirbelsäule durch eine Röhre, den sogenannten Wirbelkanal verlaufen. In diesem Kanal haben die Nerven genug Platz. Manchmal machen sich von außen die kleinen Wirbelgelenke, die Bandscheiben und Bänder mehr Platz als gewünscht und drücken den Wirbelkanal zusammen. Dabei werden die darin verlaufenden Nerven komprimiert und es entstehen dabei belastungsabhängige Schmerzen im Rücken . Oft strahlen die Schmerzen bis in die Beine aus. Sie kribbeln, fühlen sich taub und schwach an. Lange Strecken zu gehen, fällt dann vielen Menschen wegen der Schmerzen schwer. Einigen Betroffenen ist es überhaupt nicht mehr möglich, eine Strecke durchzulaufen. Sie müssen immer wieder anhalten und Pausen einlegen. Typisch ist, dass sich die Beschwerden durch eine Schonhaltung wie z.B. Hinsetzen oder nach vorne beugen des Oberkörpers bessern und die Patienten nach einer kurzen Pause wieder weiterlaufen können.

Wie wird eine Spinalstenose diagnostiziert?

Prof. Linhardt: Zuerst nehme ich eine ausführliche Befragung und Untersuchung der Betroffenen vor, denn es gibt auch noch weitere Anzeichen wie z.B. Beinkrämpfe in der Nacht, Gefühlsstörungen oder Störungen beim Wasserlassen und Stuhlgang. In der Regel wird ein Röntgenbild eine Kernspintomographie (MRT) der Lendenwirbelsäule veranlasst, denn hier ist die
Spinalstenose gut erkennbar. Ähnliche Beschwerden können auch bei Verschluss-Erkrankungen der Beingefäße auftreten (Schaufensterkrankheit). Diese Ursache sollte durch eine Untersuchung der Gefäße ausgeschlossen werden.

Ein Bandscheibenvorfall muss meist nicht operiert werden – wie ist das bei der Spinalkanalstenose?

Prof. Linhardt: Eine Spinalkanalstenose kann sich leider nicht zurückbilden. Das bedeutet jedoch nicht, dass gleich ein operativer Eingriff vorgenommen werden muss. Ist die Wirbelkanalstenose noch nicht stark ausgeprägt, kann ein konservativer Therapieansatz gewählt werden. Hier helfen oftmals eine Schmerztherapie mit oralen Medikamenten oder gezielten Injektionen im Bereich der Wirbelsäule, in Kombination mit einer Krankengymnastik, um einer Verbesserung des Beschwerdebildes zu erreichen. Wenn nach mehr als 12 Wochen Behandlung
die konservative Therapie keine dauerhafte Schmerzlinderung zeigt, dann muss eine operative Behandlung in Erwägung gezogen werden.
Hier möchte ich betonen, dass dieser Eingriff minimal-invasiv in einer Schlüssellochtechnik durchgeführt wird. Der Hautschnitt beträgt in der Regel nur 2-4 cm, die Natürlichkeit der Wirbelsäule wird nicht verändert. Aufwändigere Versteifungsoperationen werden bei einer Spinalkanalstenose überwiegend nicht vorgenommen. Der Eingriff sollte von einem routinierten Operateur durchgeführt werden und ist einfacher als an Hüfte oder Knie. Daher muss sich niemand vor dieser OP fürchten. Viel riskanter wäre es, die Spinalkanalstenose unbehandelt zu lassen, denn das könnte im weiteren Verlauf zur Immobilität der Patienten mit Lähmungen der unteren Extremitäten führen.

Wenn ich mich für eine Operation entscheide, wie schnell bin ich dann wieder fit?

Prof. Linhardt: Die Patienten dürfen bereits am Tag nach der Operation wieder aufstehen und spazieren gehen. Der stationäre Aufenthalt in der Klinik beträgt etwa 3–4 Tage. Es gibt kaum Einschränkungen. Betroffene fühlen sich direkt beweglicher und haben ihre Mobilität zurück erlangt. In der Regel sind die Beinschmerzen völlig verschwunden, die Rückenschmerzen sind meist
auch deutlich besser. Wichtig ist nun, dass in den nächsten Wochen eine intensive krankengymnastische Nachbehandlung erfolgt.

Kontakt:

Prof. Dr. med. Oliver Linhardt
Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
Wirbelsäulenchirurgie im Orthopädie Zentrum
Arabellapark München
Englschalkingerstr. 12
81925 München
Tel.: 0049(0)89/99909780
Fax: 0049(0)89/999097877
www.oza-m.de

Quelle: Hallo Verlag, KW44, Rubrik Gesund leben, Spinalkanalstenose, Interview mit Prof. Linhardt, 02.11.2019
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