Im Interview: Prof. Dr. med. Oliver Linhardt Wirbelsäulenspezialist im Josephinum

Prof. Dr. med. Oliver LinhardtEine starke Rückenmuskulatur und das Vermeiden starker Belastungen der Wirbelsäule sind die wichtigsten Faktoren, um einem Bandscheibenvorfall vorzubeugen. Ein Bandscheibenvorfall muss nicht unbedingt Probleme machen. Manchmal bleibt er sogar unbemerkt oder bildet sich von allein zurück. Gefährlich wird es erst, wenn sich zum Bandscheibenvorfall eine Entzündung mit Schwellung bildet und durch den Druck Nervengewebe beeinträchtigt wird. Die Schmerzen strahlen dann beispielsweise ins Bein aus und können dort für Gefühlsstörungen oder Muskelschwäche sorgen.

Was genau ist ein Bandscheibenvorfall?

Prof. Linhardt: Jede unserer 23 Bandscheiben sitzt wie ein Puffer zwischen den einzelnen Wirbelkörpern unserer Wirbelsäule. Im Inneren bestehen die Bandscheiben aus einem elastischen Gallertkern, der von einem harten Faserring umgeben ist. Wer nun viel sitzt, oft schwere Lasten hebt, übergewichtig ist oder den Rücken falsch belastet, setzt den Bandscheiben zu. Dann kann der Faserring spröde und brüchig werden und der Gallertkern tritt heraus. Vergleichbar ist das etwa mit einem gefüllten Krapfen: Wenn der Druck zu hoch ist, quillt auf der Seite die Füllung heraus. Es kommt zu einem sogenannten Bandscheibenvorfall.

Wie lassen sich Bandscheibenprobleme behandeln?

Prof. Linhardt: Bei bis zu 90 Prozent der Patienten mit Rückenschmerzen bessern sich die Beschwerden mithilfe einer konservativen Therapie, das bedeutet, dass keine Operation nötig ist. Dazu zählen: schmerzlindernde Medikamente, Wärme, Lagerungsmaßnahmen und Physiotherapie.

Anders sieht das bei einem akuten Bandscheibenvorfall, einer Wirbelkanalverengung oder Wirbelsäuleninstabilität aus. Hier muss stufenweise behandelt werden. Erst wird konservativ alles versucht, tritt keine Besserung ein, muss über einen operativen Eingriff nachgedacht werden.

Sind die Mikrochirurgie und Endoskopie sichere, schonende Verfahren?

Prof. Linhardt: Auf jeden Fall. Und daher muss auch niemand Angst vor einem Eingriff am Rücken haben. Mikrochirurgie und Endoskopie bedeuten, dass der Eingriff durch kleinste Hautschnitte mittels eines Mikroskops oder einer endoskopischen Kamera und den nötigen OP-Instrumenten durchgeführt wird. Vorstellen kann man sich das mit dem Bild ,,Operieren durchs Schlüsselloch“. Alle degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen, vom Bandscheibenvorfall bis hin zur knöchernen Verengung des Wirbelsäulenkanals, können mikroskopisch oder endoskopisch behandelt werden. Bei der endoskopischen OP-Technik kann, durch einen sehr kleinen Hautschnitt von wenigen Millimetern, der Bandscheibenvorfall unter Sicht entfernt werden. In manchen Fällen ist der Bandscheibenvorfall mit dem Endoskop jedoch nicht zu erreichen. In diesem Fall wird durch einen mikrochirurgischen Eingriff, mit einem etwas größeren Zugang, unter Verwendung eines Operationsmikroskops der Vorfall operativ entfernt.

Warum sollte man Schmerzen im Rücken nicht dauerhaft ignorieren?

Prof. Linhardt: Weil sich zahlreiche Schädigungen an der Wirbelsäule nicht mehr umkehren lassen. Für mich ist es wichtig zu vermitteln, dass jeder verantwortungsvolle Wirbelsäulenchirurg nicht die Operation an erster Stelle sieht. Aber ein nötiger Eingriff sollte auch nicht zwangsläufig an absolut letzter Stelle stehen. Sollten sich die Beschwerden unter konservativen Maßnahmen in einem Zeitraum von mehreren Wochen nicht bessern oder zeigen sich Lähmungserscheinungen in den Beinen oder gar eine Blasen oder Darmschwäche, dann ist eine Operation nicht mehr zu vermeiden.

Was raten Sie Menschen mit Bandscheibenproblemen?

Prof. Linhardt: Wichtig ist mir der Appell, dass man sich als betroffener Mensch nicht mit dauerhaften Schmerzen im Bereich der Bandscheiben abfinden oder gar damit leben muss. Lassen Sie sich untersuchen und holen Sie sich auch ggf. mehrere ärztliche Meinungen ein. Manchmal hilft ein kleiner Eingriff und Sie erhalten Ihre Lebensqualität zurück.

Quelle:
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