Ein fußchirurgisches Plädoyer für ein oft sehr hilfreiches Behandlungsverfahren.

Dem Fußchirurgen begegnet im Gespräch mit Patienten sehr oft eine starke und emotional gefärbte Ablehnung gegenüber dem Begriff der „Versteifung”, die sich in Sätzen äußert wie etwa: „Kann man denn da nur noch versteifen?” oder „Dann kann ich ja gar nicht mehr laufen” oder auch „Dann lebe ich lieber weiter mit meinen starken Schmerzen.”

Aber auch von ärztlicher oder physiotherapeutischer Seite werden nicht selten Empfehlungen mitgegeben wie z. B.: „Aber lassen Sie auf keinen Fall eine Versteifung vornehmen.” Die Vehemenz solcher Vorurteile erreicht manchmal nahezu irrationale Ausprägung, die den Klang des Begriffes der „Versteifung” vergleichbar mit dem von z. B. „Krebs” zu setzen scheint. Offenbar haben an dieser Meinungsbildung auch bestimmte laienmedizinische Journale nicht geringen Anteil, die in einer – unbegründeten – Verabsolutierung unbegrenzter Mobilität solchen klischeehaften Urteilen Vorschub leisten.

  • Der Autor möchte als aktiver Fuß- und Sprunggelenkschirurg dieser sachlich, durch nichts gerechtfertigten, Pauschalisierung und Dämonisierung versteifender Eingriffe im Sprunggelenks- und Fuß-Bereich entgegenwirken.

Die Fuß- und Sprunggelenksregion beinhaltet Gelenke ganz unterschiedlicher funktioneller Wertigkeit
Die zahlreichen Gelenke dieses Körperabschnittes unterscheiden sich extrem in ihrer Funktion beim Stehen, Gehen und auch bei sportlicher Belastung. Während z. B. das wichtige obere Sprunggelenk für die Auf- und Ab-Bewegung des Fußes zuständig ist, ermöglicht der aus mehreren Einzelgelenken zusammengesetzte untere Sprunggelenkskomplex die Seit-Beweglichkeit und damit Anpassungsfähigkeit des Fußes an den Untergrund. Nach nunmehr 12jährigen Erfahrungen mit dem Kunstgelenk-Ersatz am oberen Sprunggelenk ist in der fußchirurgischen Praxis des Autors eine Versteifung des oberen Sprunggelenkes nur noch in seltenen Einzelfällen notwendig. Dagegen kann eine gezielte und oft nur einen Teil des unteren Sprunggelenksverbundes umfassende Versteifung mit nur sehr geringem und manchmal vom Patienten überhaupt nicht wahrgenommenem Funktionsverlust einhergehen und damit ausgesprochen sinnvoll sein.

Die funktionelle Bedeutung der einzelnen Gelenke ist dabei ganz unabhängig z. B. von ihrer Größe und erschließt sich nur demjenigen, der sich intensiv mit der Biomechanik und Ganganalytik dieser Region beschäftigt. So gibt es Gelenke, die auf den ersten Blick weniger wichtig erscheinen, wie etwa das Zehengrundgelenk an der Kleinzehe oder auch der Rückfuß-Mittelfußübergang am äußeren Fußrand, deren Mobilität bei näherer Betrachtung aber von so großer Bedeutung ist, dass hier eine Versteifung fast immer völlig ausscheidet. Dagegen ist eine Versteifung des Rückfuß-Mittelfußüberganges am inneren Fußrand z. B. beim schweren Hallux-valgus-Syndrom oft eine sehr sinnvolle und mit kaum bemerktem Funktionsverlust einhergehende Maßnahme, die gerade in den letzten Jahren unter Fachleuten breite Zustimmung gefunden hat. Auch die Stabilisierung etwa eines Zehenmittelgelenkes mit bewusster Aufgabe der Beweglichkeit bei schwerer Hammerzehen-Deformität ist praktisch Voraussetzung für die Wiederherstellung der Funktion des ungleich wichtigeren Zehengrundgelenkes mit seiner gestörten Sehnenmechanik.

Kein verantwortungsvoller Fußchirurg wird leichtfertig ein Gelenk versteifen

In der Fußchirurgie haben sich die gelenkerhaltenden operativen Maßnahmen gerade z. B. am Vorfuß als Standard weitgehend durchgesetzt. Z. B. ist es bei Beachtung der biomechanischen Situation beim Hallux rigidus (Arthrose des Großzehengrundgelenkes) heute auch in fortgeschrittenen Fällen oft noch möglich, das originäre Gelenk mit einer gewissen Restbeweglichkeit schmerzfrei zu erhalten. Jeder Patient darf davon ausgehen, dass kein in diesem Bereich besonders erfahrener orthopädischer Chirurg leichtfertig ein Gelenk versteift und damit Beweglichkeit „opfert”. Auch darf er sicher sein, dass das wichtigste Ziel jedes Spezialisten ja gerade ein gutes funktionelles Ergebnis ist. Ist ein Arzt vorstellbar, der mit Absicht seinem Patienten die Möglichkeit nimmt, mit dem Fuß abzurollen und damit normal zu gehen? Eine gezielte (Teil-)Versteifung stellt aber in vielen Situationen die aussichtsreichste oder auch alternativlose Behandlungsmaßnahme dar.

Allerdings erfordert die Indikationsstellung zur Versteifung sehr viel Erfahrung und komplexes Denken, wie an zwei Beispielen gezeigt werden soll: Bei den gar nicht so selten anzutreffenden Patienten mit starkem Verschleiß (z. B. auch nach Gelenkverletzungen oder bei rheumatischen Erkrankungen) und schmerzhafter Funktionseinschränkung an oberem und unterem Sprunggelenk fällt die Entscheidung zur (Teil-)Versteifung am unteren Sprunggelenkskomplex heute eher leichter, seit für das benachbarte obere Sprunggelenk die Option des Kunstgelenkes mit gutem Funktionserhalt besteht und damit die funktionell nie befriedigende Situation einer Gesamtversteifung aller Sprunggelenke vermeidbar ist.

Bei Patienten mit Zuständen nach z. B. angeborenem Klumpfuß ist nach den Erfahrungen des Autors jede Indikation zur Versteifung noch wesentlich kritischer zu stellen, da es sich hier um insgesamt „kranke” Füße handelt, bei denen jedes Nachbargelenk ebenfalls eine Fehlmechanik und erhöhte Verschleißneigung zeigt. Daher sind hier etwa schuhtechnische Veränderungen bis hin zu maßgefertigten Schuhen den operativ-versteifenden Optionen oft vorzuziehen. Dagegen sind Versteifungen z. B. bei Deformitäten im Rahmen bestimmter Nerven-Erkrankungen, Lähmungen oder auch nach Schlaganfall oft ausgesprochen dankbare Eingriffe mit besonders hohem Funktionsgewinn für den Patienten.

Der Autor hat speziell am Fuß des Kindes und von Jugendlichen in den letzten Jahren bei den gar nicht seltenen Teilverwachsungen einzelner Skelettelemente (Coalitiones) Alternativen zur bisher üblichen Versteifung des gesamten Rückfußkomplexes aufzeigen können. Gerade in diesem Alter scheint es sinnvoll, auch minimale Restbeweglichkeiten zu erhalten, auch wenn nicht selten später eine Versteifung trotzdem unumgänglich werden sollte.

Versteifungen sind oft technisch besonders anspruchsvolle Eingriffe

Der Satz, man könne in einer bestimmten Situation „nur” versteifen suggeriert, es handele sich hier um eine einfache Maßnahme, die keines weiteren Nachdenkens im Detail bedürfe und sozusagen eine Kapitulation vor dem Problem darstelle. Das Gegenteil ist aber der Fall: Die genaue individuelle Abstimmung der gewählten Stellung des zu versteifenden Gelenkes, die Abschätzung der Auswirkungen auf die Nachbargelenke, die Frage ggf. noch mit einzubeziehender Gelenkabschnitte oder auch zusätzlicher Weichteileingriffe stellt in vielen Fällen besondere Anforderungen an die Erfahrung und das operative Geschick des Orthopäden. Es gilt der Satz: Die Versteifung eines Gelenkes ist die Behandlung seiner Nachbargelenke. So ist z. B. bei einer Versteifung des Großzehengrundgelenkes bei schwerster Arthrose (Hallux rigidus) die Beachtung des Bewegungsumfanges des benachbarten Endgelenkes entscheidend für die individuell zu wählende Einstellung der Arthrodese am Grundgelenk.

Bereits die Erzielung der angestrebten knöchernen Verschmelzung benachbarter Skelettelemente stellt in manchen Fällen eine Herausforderung dar. Im Bereich der kleinen Gelenke des Rückfuß-Mittelfuß-Überganges haben uns erst neuere Entwicklungen in der Implantat-Technik überhaupt in die Lage versetzt, eine ausreichende Primärstabilität und damit eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit zu gewährleisten. Häufig ergibt sich die Notwendigkeit der zusätzlichen Knochenverpflanzung, die sowohl die Heilungschancen als auch das Gesamtergebnis verbessern kann.

Versteifungen gehören zu den wirkungsvollsten Behandlungsmaßnahmen überhaupt

Bei Beachtung der angesprochenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten können mit gezielten versteifenden Eingriffen hervorragende Ergebnisse erzielt werden (Abb. 5), wie es von zahlreichen Patienten bestätigt werden kann. Auch müssen sich alle alternativen, vermeintlich besseren Behandlungsverfahren, an diesem Standard messen. So ist z. B. nach Ansicht des Autors die Überlegenheit des Gelenkersatzes am Großzehengrundgelenk durch die aktuelle Literatur keineswegs bewiesen, auch wenn er in vielfältiger Weise und mit ständig wechselndem Implantat-Design immer wieder angeboten wird. Hier sollte der aufgeklärte Patient zumindest mittelfristige Ergebnisse solider Studien fordern, ehe er die bewährte und bei guter Ausführung oft funktionell sehr befriedigende Lösung der Versteifung verschmäht, vorausgesetzt, dass gelenkerhaltende Eingriffe im Einzelfall nicht mehr möglich scheinen. Ein Bewegungserhalt dieses Gelenkes um jeden Preis durch Endoprothese, der u. U. mit weitgehender Funktionslosigkeit der gesamten Großzehe einhergeht, wie es durch Ganganalyse nicht selten zu beobachten ist, kann jedenfalls nicht die Lösung sein.

Natürlich gibt es auch bei versteifenden Eingriffen Komplikationen und unerwünschte Ergebnisse und das genaue Resultat lässt sich bei der Komplexität des menschlichen Fußes wie auch bei andersartigen Eingriffen nicht in allen Fällen voraussehen. Auch zeigt das Beispiel des oberen Sprunggelenkes, dass sich alternative nichtversteifende Behandlungsverfahren (hier die Endoprothese) in der Fußchirurgie durchsetzen, wenn sie wirklich erfolgreich sind. Dieser Beitrag soll aber der „Entdämonisierung” des Begriffes der Versteifung dienen, die ein wesentliches Handwerkszeug in der Hand des in diesem Bereich spezialisierten Arztes darstellt und schon vielen Patienten gute Dienste geleistet hat. Versteifende Maßnahmen in der Fuß- und Sprunggelenksregion sollten daher nach sorgfältiger individueller Prüfung gezielt und zeitgerecht (nicht erst „wenn es gar nicht mehr geht”) zur Funktionsverbesserung eingesetzt und dem Patienten nicht aus irrationalen Gründen vorenthalten werden.

Weitere Informationen
Tel.: 089 – 99 90 97 80
info(at)oza-m.de